Die Welt verändern mit Nicht-perfekt-Sein

Die Welt verändern mit Nicht-perfekt-Sein

Jeder will etwas bewegen in der Welt. Ob es nun die Kinder zum Schulbus sind oder die Menschen zu einem gesünderen Lebensstil.

Wir tun Dinge, um Veränderungen in der Welt zu bewirken und verwechseln dabei nur allzu leicht den Inhalt mit der Form.

Wir glauben, dass wir perfekt sein müssten, damit an unserem Beispiel die Welt ein bisschen besser wird. Wir glauben, dass „perfekt“ die Steigerung von „besser“ ist.

„Perfektion ist der größte Feind des Realen“

Das wussten selbst die Maler aus dem 16ten Jahrhundert.

Wer fotorealistische Gemälde zeichnen möchte, muss all die Unvollkommenheiten der Welt nachzeichnen.

Eine perfekte Mauer, sieht „unrealistisch“ aus und ist stinklangweilig. Perfekt symmetrische Körperhaltungen, Sakkos ohne Falten oder ein Himmel ohne Flugzeuge sprechen unsere Sinne nicht an.

Eine Mauer braucht Dreck, Menschen brauchen Narben, Klamotten brauchen Falten und das Ganze am besten noch in einer verstörenden Atmosphäre.

Es scheint, als würde uns die Welt mit ihrer Form bewegen. Sie ist schön, manchmal hässlich, manchmal verstörend. Aber es sind nicht die Offensichtlichkeiten, die uns bewegen. Es ist nicht die Form. Es ist der Inhalt.

Wenn wir perfekt sein wollen, suchen wir die perfekte Form. Wir versuchen den perfekten Text zu schreiben, die perfekte Note zu bekommen oder das perfekte Kind zu erziehen. Wir versuchen das zu machen, was uns die Welt suggeriert. Nur, dass wir mit den falschen Augen hinsehen. Wir fühlen den Inhalt, aber wir sehen nur die Form.

Wer seinen Text immer wieder überarbeitet, nimmt ihm das Leben. Der Text erstickt an seiner perfekten Form.

Wer immer nur den Noten hinterherrennt, der wird wahrscheinlich gute Noten schreiben. Auf seinem Grab wird irgendwann stehen: Er hat immer gute Noten geschrieben.

Wer das perfekte Kind erziehen will, hat irgendwann ein perfektes Kind. Perfekte Form. Kein Inhalt. Keine Bewegung, keine Kreativität, seelenlos.

Wer etwas bewegen will, muss erschaffen. Einen Text, ein Kunstwerk oder ein Stück Wirklichkeit.

Reden wir mit unserem Kind, erschaffen wir die Tatsache, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort eine bestimmte Sache gesagt haben. Das ist ein Stück Wirklichkeit. Eine Tatsache, die sogar einen skeptischen Philosophen überzeugt.

Sagen wir dann noch bewegende Worte, dann schaffen wir ein Stück ästhetischer Wirklichkeit und verändern damit eventuell den Lauf der Welt.

Wenn wir nichts mehr bewegen, sind wir perfekt. Wer also etwas in der Welt verändern will, sollte sich davor hüten perfekt zu sein.

Was wir sehen, ist die Form. Das Leben der Inhalt! Und dieser Inhalt wird doch gerade erst durch seine Ecken und Kanten schön.

Es lebe die Unvollkommenheit!